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Erfolgreiche Data Center-Konsolidierung: Voraussetzungen, Herausforderungen, zwei Wege

Geschrieben von Andreas Friedli | Nov 10, 2020 2:51:00 PM

Data Center-Modernisierungs- und Konsolidierungsprojekte werden geplant und umgesetzt, um die Grundlagen für die Erreichung der Ziele zu schaffen. Herausforderungen, Vorausetzungen, zwei Wege und Vorgehensweisen.

Unternehmen müssen heute agiler werden und schneller auf die Veränderungen im Markt reagieren. Das bedingt, dass auch die IT eines Unternehmens in der Lage sein sollte, schneller auf neue und sich laufend ändernde Anforderungen des Business zu reagieren. Diese Herausforderungen erfordern, dass die IT ihre Services und Produkte entsprechend organisiert. Zusätzlich wird von der IT erwartet, dass sie diese Agilität und Flexibilität natürlich jederzeit effizienter und kostengünstiger als im bestehenden Setup sicherstellt.

Auf Seiten des Business sollte in diesem Zusammenhang und mit den beschriebenen Anforderungen ein Umdenken erfolgen. Die IT ist nicht mehr ein «wholesale-Laden», der alle noch so exotischen Wünsche realisiert, sondern sie bietet einen konkreten Katalog von Services an, welche für die Realisierung der Applikationen und Services des Business verwendet werden können. Nur in wichtigen Ausnahmefällen können noch Abweichungen bzw. Speziallösungen davon beschafft werden – doch in der Regel ist dies verbunden mit sehr hohen Kostenfolgen.

Herausforderungen von Data Center Modernisierungs- und Konsolidierungsprojekten

Heutzutage benötigen Unternehmen kosteneffiziente und stabile Informatikdienstleistungen, welche auch die Compliance- und Sicherheitsanforderungen erfüllen – und das in einem Umfeld, das von kürzeren Technologiezyklen und hoher Mobilität geprägt ist und durch ein dynamisches Wettbewerbsumfeld fortlaufend beeinflusst wird.
Hinsichtlich eines Data Center-Modernisierungs- und Konsolidierungsprojektes stellen sich dem CIO heute einige wichtige Herausforderungen:

  • Kennen der aktuellen und künftigen Geschäftsanforderungen und deren Einflüsse auf die IT hinsichtlich Regulatorien, Sicherheit und Mobilität.
  • Services schneller bereitstellen und auf sich ändernde Anforderungen adaptieren können.
  • Günstiger produzieren durch Verdichten oder Konsolidieren sowie Standardisieren und Automatisieren.
  • Kulturwandel bei der IT-Organisation und den Leistungsbezügern herbeiführen, einleiten und verankern.
  • Beschaffungsprozesse sollten die Rahmenbedingungen der IT-Services für die Anschaffungen von neuen Applikationen oder Releases berücksichtigen.
  • Realisierungs- und Migrationsstrategien mit möglichst tiefem Risiko und grösstmöglichem Nutzen anstreben.
  • Standardisierung und Automatisierung sind heute erschwert erreichbar durch heterogene System-Management-Landschaften.
  • Wissen über die Zusammenhänge der installierten Basis (Applikationen, Datenbanken, Server virtuell/physisch, weitere zugehörige IT-Systeme, Tape Libraries, Storage, SAN, Netzwerkkomponenten und Spezialgeräte) und der darauf erbrachten Leistungen sowie deren SLA verstärkt kommunizieren und eine hohe Transparenz sicherstellen.

Die Etablierung neuer, angepasster IT-Services mit neuen Bestellvorgängen, Prozessen und Verantwortlichkeiten ist weitaus herausfordernder als die Realisierung neuer Technologien.

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Data Center Konsolidierung

Die Herausforderungen für den CIO zeigen sehr deutlich die Komplexität eines Konsolidierungsprojekts auf. Je mehr Anforderungen und Ziele mit einem solchen Projekt erreicht werden sollen, desto komplexer wird das Vorhaben. Bedingt durch die Komplexität ist es wichtig, von Beginn an eine klare Vorstellung davon zu haben, wie die festgelegten Anforderungen erreicht werden sollen. Die beteiligten Organisationen müssen dafür eine gemeinsame Realisierungsstrategie nachweisen, die nachvollziehbar aufzeigt, wie die Anforderungen konkret erfüllt werden können – und das nicht nur inhaltlich, sondern auch terminlich und finanziell.

Eine Realisierungsstrategie sollte darüber hinaus darlegen, wie die Ziellösungen erreicht werden sollen und wie der Kulturwandel bei den Leistungsbezügern, Leistungserbringern und unterstützenden Funktionen, z.B. bei Service Management oder Einkauf, parallel erfolgen kann. Dafür sind, ausgehend von den Anforderungen der Leistungsbezüger an die IT und deren eigenen Vorgaben und Richtlinien, die benötigten IT-Services abzuleiten – wobei hier die Themen Standardisierung, Automatisierung und Sicherheit von grosser Wichtigkeit sind. Aus den IT-Services wiederum leiten sich die Vorgaben für die Ziellösungen der verschiedenen Basisinfrastrukturbereiche (Netzwerk, SAN, Storage, Backup, Server, Middleware, Clients usw.) ab.

In Abhängigkeit von der Realisierungsstrategie kann eine Data Center-Konsolidierung ein einfaches, schnell umzusetzendes Projekt oder eine komplexe, mehrjährige Initiative mit diversen Einführungsschritten sein. Zwei Vorhabenstypen lassen sich dabei unterscheiden:

Typ 1: Data Center-Umzug
Typ 2: Data Center-Konsolidierung mit neuen IT-Services & Überführung der Applikationen

Typ 1 - Data Center Umzug

Ein Data Center-Umzug kann von einer einfachen Ablösung des bestehenden Data Centers «as-is» bis hin zur Konsolidierung der kompletten Basisinfrastruktur inkl. Netzwerk alles beinhalten. Die Gründe für eine notwendige Konsolidierung können verschiedene sein: regulatorische Bedingungen, Kosteneinsparungen (z.B. Verkleinerung des „Foot Print“), Technologie- Lifecycles oder eine Kombination aus den verschiedenen Faktoren.

Beinhaltet ein Umzug die Einführung eines neuen Netzwerk-Designs, bringt dies zusätzliche Komplexitäten mit sich, die es zu berücksichtigt gilt. So sollten in diesem Fall zum Beispiel das neue und alte Netzwerk während der Zeit der Ablösung über eine zusätzliche Migrationsarchitektur verbunden sein. Diese Migrationsarchitektur stellt die Kommunikation zwischen dem alten und neuen Netzwerk sicher, transformiert unterschiedliche Settings und erlaubt das gestaffelte Vorgehen im Rahmen der Umstellungen.

TIPP: Um die Komplexität gering zu halten, sollten sich weder IP-Adressen, Hostnamen noch DNS-Namen im Rahmen der Realisierung ändern.

Die Konsolidierungen von Technologien im Rahmen von parallel laufenden Lifecycle Management-Aktivitäten in den Bereichen SAN, Storage, NAS und Backup sollten vor dem Umzug am alten Standort erfolgen, nicht im Rahmen des Umzugs.
Die Erhöhung des Virtualisierungsgrades im Zuge eines solchen Projektes ist möglich, solange die Virtualisierung am alten Standort erfolgt und danach erst der Umzug/die Umstellung erfolgt.

Vorteile

  • Kleinere organisatorische Veränderungen nötig, um das neue RZ in die bestehenden Prozesse einzubinden
  • Komplexität bei einem «as-is»-Umzug ist am geringsten.
  • Parallelbetriebszeiten der Rechenzentren ist bei einem «as-is»-Umzug am kürzesten.
  • Umzugsrisiken tief, da keine logischen Veränderungen im Rahmen des Umzuges erfolgen.
  • Kostenrisiken tief, da Ausgangslage und Ziel konkret und exakt definiert werden können.

Nachteile

  • Allfälliges, bestehendes Chaos wird ins neue Data Center überführt.
  • Keine bzw. wenige Verbesserungen der Service und Betriebsaspekte.
  • Viel Aufwand, um wenige betriebliche Verbesserungen zu erreichen.
  • Ausfallrisiko von alten proprietären Hardware-Systemen, welche gestoppt und umgezogen werden müssen.

Vorgehensplanung

Das Vorgehen beinhaltet grob folgende Schritte:

Typ 2 - Data Center Konsolidierung mit neuen IT-Services & Überführung der Applikationen

Dieser Projekttyp 2 unterscheidet sich dahingehend vom Typ 1, indem die bestehende Infrastruktur grundsätzlich nicht umgezogen wird, sondern die Applikationen auf neu definierten IT-Services installiert oder darauf migriert werden. Um dies umzusetzen, müssen in einem ersten Schritt die neuen IT-Services spezifiziert werden und daraus die Basisinfrastrukturen abgeleitet und aufgebaut werden. Die neuen Services sollten hoch standardisiert sein und eine möglichst automatisierte Bereitstellung erlauben.

Dieses Vorgehen bringt Vor- und Nachteile mit sich, die es zu beachten gilt:

Vorteile

  • Effizientere Nutzung der IT-Ressourcen (Speicher und Rechenleistung).
  • Hoher Standardisierungs- und Automatisierungsgrad.
  • Verkürzung der Bereitstellungszeiten der IT-Services.
  • Effizienterer Betrieb der Basisinfrastruktur.
  • Hohe Nachvollziehbarkeit der Leistungen und Zugehörigkeit zu Kunden und Services.
  • Weniger Speziallösungen im neuen Data Center.
  • Letztendlich günstigere Produktion.

Nachteile

  • Grosse organisatorische Veränderungen im Betrieb und Service Management nötig.
  • Risiko einer langen Überführungsdauer, weil die Installation im neuen Rechenzentrum von neuen Releases der Applikationen abhängt, damit diese die Anforderungen der IT-Services erfüllen.
  • Höhere Kosten durch längeren Parallelbetrieb der Rechenzentren.
  • Wenige Spezialfälle können nicht auf die standardisierten/automatisierten Services überführt werden, weil sie deren Anforderungen nicht erfüllen.

Vorgehensplanung

Folgende Aspekte sind bei diesem Vorgehen zu berücksichtigen:

 
  • Die IT-Services müssen ausgehend von den Anforderungen der Geschäftseinheiten abgeleitet und definiert werden.
  • Alle IT-Services sollten über ein zentrales Portal, in welchem alle Services bestellbar sind (auch nicht vollautomatisierte Services), angeboten werden.
  • Die Etablierung der Services im Service Management, Betrieb und bei den Kunden ist von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Einführung.
  • Die Bezüger sollten jeder Zeit Einsicht auf die bezogenen Leistungen haben und diese jeder Zeit ändern und abbestellen können.
  • Die Technologien und Basisinfrastrukturen sollten unter Berücksichtigung der definierten Service Anforderungen abgeleitet werden.
  • Die bestehende Betriebsorganisation und das Betriebsmodell muss auf die neue Gegebenheiten angepasst werden. Wichtig ist in diesem Fall auch, frühzeitig und parallel zum Aufbau die Organisation auszubilden und bereitzustellen.
  • Die neuen IT-Services berücksichtigend sollte festgelegt werden, was mit den bestehenden IT-Services passiert und wie mit der installierten Basis der Applikationen und Speziallösungen im neuen Setup umgegangen werden soll.
  • Die Leistungsbezüger und Leistungserbringer müssen aufgeklärt werden, dass die IT nicht mehr jegliche Anforderungen ohne Rücksicht auf Standards, Strategien und Lifecycle- Kosten erfüllt. Die IT sollte sich hin zu einer produkt-/serviceorientierten Organisation ent- wickeln, die durch diesen Paradigma-Wechsel überhaupt erst in die Lage kommt effizienter und effektiver den Anforderungen des Business gerecht zu werden.

Der «zweispurige Weg» als geeignete Lösung für Mittlere und grosse Unternehmen

Unsere Erfahrungen im Rahmen der Begleitung und der Umsetzung solcher Initiativen zeigen, dass die Rahmenbedingungen von mittleren und grossen Unternehmen häufig einen zweispurigen Ansatz erfordern, insbesondere mit Blick auf die Komplexität, das Risk Management und die zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Auf der einen Seite sollte im Zuge einer solchen Initiative die Chance genutzt werden, um am neuen Standort die Grundlagen für eine Software Defined Data Center-Plattform zu schaffen, und erste Applikationen darauf überführt oder neue implementiert werden. Auf der anderen Seite erlaubt dieser Weg als zweite Spur, dass Applikationen mit veralteter, proprietärer Technologie und die technisch nicht überführbar sind oder sich eine Standardisierung und Automatisierung nicht aufdrängt, wie bisher auf herkömmliche Weise im alten System zu betreiben. Gartner Group kreierte in diesem Kontext den Ausdruck der «Bimodalen IT» I.

 

Vorgehensplanung

Das Vorgehen ist dann eine Kombination aus den Typen 1 und 2.

Erfolgsfaktoren für erfolgreiche Umsetzung

Die erfolgreiche Umsetzung eines solchen, zweispurigen Data Center-Konsolidierungsprojekts bedingt die Berücksichtigung einiger Erfolgsfaktoren, die nachfolgend aufgezeigt werden:

I. Realisierung

  • Service Realisierung, Anpassung der Betriebsmodelle und deren Einführung und Ausbildung müssen frühzeitig gestartet werden, weil sie meist mehr Zeit beanspruchen als der Aufbau und die Inbetriebnahme des Data Centers und der Technologien.
  • Die Periode des parallelen Betriebs bestehender und neuer Rechenzentren sollte möglichst kurz gehalten werden, da ansonsten sehr hohe Kosten auflaufen.
  • Frühzeitige Klärung des zukünftigen «Foot Print» unter Berücksichtigung der geplanten Lifecycle-Massnahmen und der Tatsachen, dass auch die zukünftigen Technologieschritte immer weniger Platzbedarf haben werden.
  • Einsatz von «Bleeding Edge»-Technologien, z.B. im Rahmen der Erneuerung des Netzwerkes oder LCM SAN, Storage usw., vermeiden.
  • Erst mit der Umsetzung starten, wenn alle Rahmenbedingungen bereit sind, ansonsten müssen viele Elemente mehrfach bearbeitet werden.
  • Vollständiges, permanent aktuelles IT-Inventar inkl. dessen Zusammenhänge sollte vorliegen.
  • Möglichst einfache homogene System Management Landschaft, welche alle Themen vereint, wenn möglich alles aus einer Hand.

II. Steuerung/ Führung

  • Projektauftrag muss vom Top Management kommen, sonst sind die Erfolgschancen als gering einzustufen.
  • Frühzeitige Einbindung des Business und deren Anforderungen.
  • Erreichbarer und für alle verständlicher Nutzen.
  • Konkreter Auftrag, welcher klar abgrenzt, was zum Projekt gehört und was nicht.
  • Geeignete Projektleitung, welche eine systematische, konsequente Führung lebt und die Steuerung aktiv einbindet.
  • Einfache, von allen Stakeholdern verstandene Realisierungs- und Migrationsstrategie.
  • Frühzeitig durch die Linie allozierte Ressourcen für die Umsetzung aller Veränderungen (Umzüge/Migrationen/Betrieb).

Kontakte

Andreas Friedl

Senior Project Manager
Managing Partner