Projektauftraggeber haben eine einzigartige und spannende Führungsaufgabe und sind quasi die Verwaltungsratspräsidenten (VRP) der in Auftrag gegebenen Projekte. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben: Entscheiden. Denn dank der Entscheidungen werden die wichtigsten Weichen im Projekt gestellt und schlussendlich der Projekterfolg gesichert.
Immer wieder zeigt sich jedoch, dass das Verständnis, was ein Projektauftraggeber überhaupt zu tun bzw. zu entscheiden hat, äusserst diffus ist – ironischerweise vor allem bei den Auftraggebern selbst.
Aus diesem Grund habe ich meine persönlichen Erfahrungen, Eindrücke und Überlegungen zum Thema Entscheidungsfindung in 6 eiserne Regeln oder Tipps zusammengefasst – und diese bewusst „eisern“ und nicht „golden“ bezeichnet, denn gute Projektentscheide sollen sich ja dadurch auszeichnen, dass sie tragfähig sind und nicht dadurch, dass sie glänzen.
1. Projekte brauchen Entscheide
2. Entscheiden muss Freude machen!
3. Keine Details, entscheiden Sie über Grundlegendes!
4. Entscheiden Sie rasch, aber fundiert
5. Keine einsamen Entscheide
6. Projektauftraggeber sein braucht Zeit und Engagement
Entscheidungssituationen im Linienalltag sind üblicherweise dadurch geprägt, dass Aufgaben, Abläufe und geforderte Ergebnisse weitgehend definiert sind. Entsprechend sind auch Entscheidungsmenge, -spielraum und -tragweite meist überschaubar. Ganz anders präsentiert sich die Entscheidungssituation in Projekten.
Projekte dienen dazu, ausserordentliche Aufgaben zu bewältigen, bei denen die Bedürfnisse und Lösungsansätze am Anfang oft nur vage bekannt sind. In Projekten werden keine Aufgaben abgewickelt, sondern Lösungen und Resultate erarbeitet. Der Weg von der Idee bis zur produktiven Lösung (sei es ein neuer Strassen- oder Bahnabschnitt, ein neu lanciertes Produkt, eine neue Organisation, eine neue Informatiklösung oder etwas anderes) ist gepflastert mit zahlreichen Entscheidungen auf diversen Ebenen (Projektteam, Projektleitung, Projektauftraggeber, Unternehmensleitung).
Es stellt sich also nicht die Frage, ob entschieden wird oder nicht, sondern wie entschieden wird – ob seriös, kompetent, zeit- und stufengerecht oder eher zufällig.
Entscheidungssituationen in Projekten sind zwangsläufig anspruchsvoll. Sie zeichnen sich durch wesentlich geringere Entscheidungssicherheit aus als Entscheide im Tagesgeschäft – oft fehlen vergleichbare Erfahrungen, der Entscheidungsspielraum ist breit, die Risiken sind hoch und es gilt vielfältige Aspekte zu würdigen. Als Projektauftraggeber sollten Sie Freude daran haben, zu führen und anspruchsvolle Entscheide zu fällen. Das Recht und gleichzeitig die Pflicht zu entscheiden macht schlussendlich den Unterschied zwischen Fach-/Sachbearbeitungs- und Führungsaufgaben aus. Es macht die Aufgabe «sexy».
Leider trifft man jedoch im Projektalltag vielfach genau das Umgekehrte an. Auftraggeber etablieren ein Projekt oft nur dazu, um unangenehme Probleme von Tisch zu bekommen und heikle Entscheide dem Projektleiter aufzuhalsen. In diesem Fall sollten Sie als Projektauftraggeber das Projekt am besten gleich ganz aussetzen. Denn die Gesamtverantwortung für das Projekt bleibt immer bei Ihnen als Auftraggeber und über kurz oder lang werden Sie doch immer wieder mit schwierigen Fragen aus dem Projekt behelligt werden.
«Entscheiden Sie, was Sie entscheiden.» Lassen Sie sich dabei von Ihrer Rolle als Auftraggeber leiten und nicht von Ihrem fachlichen Können oder spezifischen Linieninteressen. Fokussieren Sie sich als «Verwaltungsratspräsident des Projektes» dabei auf drei grundsätzliche Entscheidungsbereiche:
1. Professionelle Etablierung des Projektesdie Projektleitung im erforderlichen Entscheidungsspielraum eingeschränkt wird.
Lassen Sie nicht zu, dass die Projektleitung jedes Problem und jeden Entscheid zu Ihnen «nach oben» schwemmt! Es gibt heute zwar relativ viele methodisch gut ausgebildete Projektleiter, die eine passable Planung und eine formell saubere Abwicklung und Administration des Projektes sicherstellen. Wenn es jedoch darum geht, gangbare Lösungen zu finden, Probleme zu lösen, Konflikte zu bewältigen und dabei die Ziele nicht aus den Augen zu verlieren, trennt sich die Spreu vom Weizen. Zahlreiche Projektleiter erwarten in solchen Situationen umgehend einen Entscheid des Auftraggebers. Fordern Sie in solchen Fällen, dass die Projektleitung zuerst Lösungen innerhalb der Baseline sucht – unterstützen Sie gegebenenfalls durch Coaching.
Sie können gerne Ihre Fachkenntnisse und Erfahrungen in die Facharbeit im Projekt mit einbringen – das kann u.U. sehr viel Sinn machen. Machen Sie aber gleichzeitig allen – auch sich selbst – deutlich, dass Sie dies in diesem Moment als Fachperson und nicht als Projektauftraggeber tun. Nur allzu rasch werden ansonsten Ihre Beiträge automatisch als Entscheidung übernommen.
Aufgrund der üblicherweise hohen Fortschritts- und Entscheidungskadenz sollten Entscheide rasch gefällt werden. Es darf nicht sein, dass – wie ich das regelmässig erlebe – mehr als 30% der Projektdauer dem Warten auf Entscheide zugeschrieben werden muss. Rasches Entscheiden ist ein Muss. Doch Achtung! Wenn Sie entscheiden, sollte es ein fundierter Entscheid sein. Um dies zu erzielen, sollten folgende Aspekte beachtet werden:
1. Bleiben Sie dran!
Leben Sie als Projektauftraggeber eine grosse Nähe zum Projekt (auch wenn Sie nicht dauernd reinreden). Über periodische Statusberichte (wöchentlich bis monatlich, je nach Projekt und Situation), regelmässige Gespräche mit der Projektleitung (idealerweise auf Basis der Statusberichte) und auch Gespräche mit Projektteam-Mitgliedern verschaffen Sie sich die notwendigen Entscheidungsvoraussetzungen.
2. Verlangen und leben Sie eine Kultur der Verbindlichkeit!
Ein rechtzeitiges «Gelb» und ein ehrliches «Rot» bei den Projektampeln bringt viel mehr als ein leichtfertiges «Grün». Leider ist aber gerade letzteres weit verbreitet. Die Ursache für dieses leichtfertige Durchwinken liegt dabei in etwa zu gleichen Teilen bei den Projektleitern, welche «ihr Projekt» gegenüber allem abschotten und alles selbst im Griff haben wollen, als auch bei den Projektauftraggebern, die ein «Rot» der Projektleitung aus unterschiedlichsten Gründen in «Gelb» oder «Grün» umwandeln. Verzögerungstaktik schränkt letztlich aber nur den Entscheidungsspielraum ein und reduziert die Zeit der Entscheidungsfindung.
3. Fordern Sie ein lösungsorientiertes Arbeiten der Projektleitung!
Akzeptieren Sie keine Probleme ohne Lösungsvorschläge, verlangen Sie bei roten oder gelben Projektampeln Massnahmen, Anträge oder Empfehlungen aus dem Projekt. Typischerweise ist das vorhandene Wissen ja bereits im Projekt gebündelt. Unterstützen Sie das Projekt gegebenenfalls bei der Entscheidungsvorbereitung, bewahren Sie sich aber gleichzeitig Ihre Entscheidungsfreiheit.
Insbesondere grössere Projekte betreffen nicht nur Ihre Abteilung, sondern häufig mehrere Bereiche oder sogar mehrere Unternehmen gleichzeitig – und damit auch unterschiedliche Interessen. Als Projektauftraggeber handeln Sie im Gesamtinteresse und nicht in Ihrem Partikularinteresse. Durch regelmässige informelle Gespräche mit allen Parteien bis hin zur Bildung eines Projektsteuerungskomitees schaffen Sie die Voraussetzungen, dass Entscheide nicht nur rasch und sachlich fundiert, sondern auch breit abgestützt getroffen werden.
Eine fundierte Entscheidung fällt nicht einfach so vom Himmel (meistens jedenfalls nicht!). Um die zuvor aufgeführten fünf Regeln richtig und konsequent anwenden und umsetzen zu können, sollten Sie sich als Projektauftraggeber in jedem Fall genügend Zeit einräumen für Ihre Entscheidungsfindung – und diese bereits frühzeitig in Ihre Agenda einplanen.
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